BÖLLERSCHIESSEN
Böllerschützen  "Burg Brattenstein"
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Anmerkungen zum Brauchtum des Böllerschießens
                  
Von Karl Heinz Kaiser

Das Böllerschießen hat zwar durchaus eine traditionsreiche aber nur teilweise durch alte Chroniken belegbare Geschichte, die bis in das ausgehende 15. Jahrhundert zurückreichen dürfte. Trotz langwieriger, intensiver Nachforschungen ist es aber bis heute nicht zweifelsfrei gelungen, den Zeitpunkt des Entstehens dieses Brauches schlüssig nachzuweisen.

Das seit Jahrhunderten ausgeübte Böllerschießen ist vor allem Pflege alten Brauchtums und hat sich vom Kriegs- brauch zum Volksbrauch entwickelt. Eine allseits bekannte und recht lustige Geschichte hat sich gegen Ende des 17. Jahrhunderts im Schwarzwaldstädtchen Hornberg zugetragen:

Es haben die Einwohner von Hornberg in Erwartung ihres Fürsten, wahrscheinlich Eberhard Ludwig  ( 1677 - 1733) so lange ihre Böllerschüsse zum feierlichen Einzug ihres Landesherrn geprobt, bis ihnen das Pulver ausging. Der Versuch, den Fürsten bei seinem Einzug in das Städtchen durch kräftiges, das Böllern nachahmende Brüllen zu täuschen, misslang natürlich und führte dann auch zur Bestrafung der Missetäter.

Hiervon abgeleitet wurde vermutlich das heute noch verwendete Sprichwort :

“Das ging aus wie das Hornberger Schießen...... !”

Die Begebenheit ist einer der ältesten überlieferten Nachweise dafür, dass in deutschem Gebiet geböllert wurde, der tatsächliche Ursprung dürfte aber wesentlich weiter zurück in unserer Vergangenheit liegen.

Zu einer solchen Berühmtheit, wie die Hornberger brachten es kaum andere Böllerschützen in der Vergangenheit, obwohl das Böllerschießen im gesamten deutschsprachigen Raum etwa ab dem frühen 18. Jahrhundert Verbreitung fand.

Ein weiteres, allerdings nicht ganz so bekanntes Zeugnis über die Aktivitäten unserer Vorfahren im Hinblick auf das Böllerschießen stammt aus Mittelfranken. So ist man in der Markgrafschaft Ansbach gegen diesen Brauch wegen seiner Gefährlichkeit von Seiten der damaligen Obrigkeit kräftig vorgegangen. In einem markgräflichen Erlass vom 16. Juli 1696 wurde bei Strafandrohung verboten :

“daß bei den Hochzeiten auf dem Land die Bauern - Kerl und Junge Bursch mit allerhand Feuern und Rohren platschen und Freudenschüsse tun,”

Wenn es eines solchen Verbotes bedurfte, muss zwangsläufig vorher schon geböllert worden sein!

Das damalige “Freudenschießen” aber starb nicht aus, was viele weitere Begebenheiten auch bezeu- gen, so liegt mir z. B. eine Kopie des Kassenbuches der königlich privilegierten Schützengesellschaft Zirndorf vor, in dem bereits im Jahre 1835 / 36 die Ausgabe von 4.- fl. für die Anschaffung eines Böllers bei der Fa. Rothgießer Rupprecht in Nürnberg im Kassenbuch und im Inventarium der Schützengesellschaft dokumentiert wurde. Ein weiterer Nachweis das Thema betreffend wurde mir kürzlich von einem Schützenkameraden aus Pleinfeld über- geben. Demnach wurde zum Te Deum, anlässlich der Errichtung der Barbarabruderschaft im Kloster Heiligenblut bei Spalt, am 25 Februar 1715 Böller abgefeuert.                                                                                                                                                       (siehe Kopie des Schreibens von Schützenbruder Dietmar Birkel aus Pleinfeld).

Menschen haben zu allen Zeiten versucht mit der Erzeugung von Lärm die Geister oder das Wetter zu beeinflussen, dies taten sie anfänglich mit allerlei Gerät, bis zu dem Zeitpunkt da Schwarzpulver ins Spiel kam.......

Die Motivation zum Böllerschießen hat sich im Laufe der Jahrhunderte von dem Wunsch nach rascher Verbreitung von Warnungen, Verbesserung der Wetterlage und der Vertreibung böser Geister, zum Ausdruck besonderer Lebensfreude, zu der feierlichen Untermalung von festlichen Anlässen und zur Ehrung besonders verdienter oder angesehener Mitglieder der Öffentlichkeit und des Schützenwesens in jeglicher Form (Heimatvereine, Brauchtumsvereine, Trachtenvereine) hin entwickelt.

Niemand glaubt heute mehr an böse Geister, oder daran das Wetter verbessern zu können indem er ein paar Böllerschüsse gen Himmel schickt. Aber allgemeines, großes Entzücken und Freude können Böllerschüsse anlässlich einer Hochzeit, oder der Eröffnung einer fränkischen Kirchweih und auch zur Einholung des Schützenkönigs sowie zur Eröffnung von anderen hohen weltlichen und kirchlichen Festen erzeugen.

Das Böllerschießen war weder in Vergangenheit, noch in der Gegenwart als eigenständiges Brauchtum zu ver- stehen, sondern ist immer als begleitendes Element für ganz bestimmte Anlässe im kirchlichen und weltlichen Jahreslauf Bestandteil vorrangiger Bräuche und Traditionen.

Zum Beispiel dient das Berchtesgadener Weihnachts- oder “Christkindlschießen” als Ausdruck der Freude über die Ankunft des Heilands auf unserer Welt und zu dessen Begrüßung.

Oder die Böllerschüsse anlässlich einer Königsproklamation in unseren Schützenvereinen, auch hier sind sie nicht Selbstzweck, sondern begleitendes Beiwerk einer besonders würdevollen Feier.

Der Beispiele gäbe es noch viele, aber es ist unschwer für jedermann nachzuvollziehen, dass es zum Böllerschiessen immer besondere Anlässe gibt, die im Vordergrund stehen und für die wir Böllerschützen mit unserem Tun stets schmückendes Beiwerk sein werden.

Weil aber Bräuche sich regional unterscheiden, weil sie sich stets weiterentwickeln, wenn sie weiter existieren wollen  und auch weil Brauchtum jederzeit neu entstehen kann, gibt es auch keinerlei Anspruch auf eine einheitliche und gleichermaßen für alle Orte und Regionen im Lande geltende Bedürfnisregelung.

Wünschenswert wäre allerdings, dass von Seite des Gesetzgebers für neu entstehende Böllergruppen ein Mindest- maß an Anlässen (z. B. wie in der Region allgemein üblich) genehmigt wird.

Beispielsweise könnten das für einen Schützenverein folgende Anlässe sein :

Königsproklamation, Vereinsjubiläum, Hochzeit von Vereinsmitgliedern, runde Geburtstage von Vereinsmitgliedern ab dem 50. Geburtstag, Beerdigung von Vereinsmitgliedern, Anschießen von Vereinsfesten und Festzügen.

Wenn wir als Böllerschützen unsere Tradition aufrecht erhalten wollen, müssen wir in erster Linie in unserem Wirkungsfeld, das heißt in unseren Heimatgemeinden oder unserem Landkreis die Akzeptanz der Bevölkerung, also der Gemeinschaft in unserem Umfeld erlangen.

Diese Akzeptanz erhalten wir aber nur dadurch, dass wir uns an bestimmte Regeln halten, die uns zum einen der Gesetzgeber erteilt und die wir uns um unserer Ehre willen auch selbst gegeben haben.

Das Böllerschießen war und ist immer eine besondere Ehrerweisung und sollte deshalb auch nur verdienten Mit- gliedern der Gemeinschaft, bzw. des öffentlichen Lebens und unseren Schützenschwestern sowie Schützenbrüdern vorbehalten sein. Auf keinen Fall sollten damit kommerzielle Zwecke und Ziele unterstützt werden, so kann ich mir zum Beispiel beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Eröffnung eines Supermarktes, oder gar der Verkauf der 10.000 - ten Eigentumswohnung ein, unserem Verständnis nach traditioneller Anlass ist.........

Hüten Sie sich vor zu vielen Böllerterminen in Ihrem Heimatort und vor zu vielen Schüssen, bei nahezu 100 % aller Anlässe sind 3 Serien angemessen (z.B. Reihenfeuer langsam, Reihenfeuer schnell und Salut).

Obwohl beim Böllerschießen kein Geschoss verwendet wird - üblicherweise wird das Schwarzpulver nur mit einem Kork im Böllerlauf verdämmt - kann nicht jedermann dieses Brauchtum ausüben. Der Gesetzgeber hat hier strenge Regeln erlassen, die strikt eingehalten werden müssen :

Ein Böllerschütze muss demnach

    -im Sinne des Gesetzes zuverlässig sein (uneingeschränktes Führungszeugnis).
    -Fachkundig im Sinne des Sprengstoffgesetzes sein. (Prüfung in Theorie und Praxis)
    - Körperlich und geistig geeignet sein.
    -Ein Mindestalter von 21 Jahren (in Ausnahmefällen 18 Jahren) haben.
    -Ein Bedürfnis nachweisen. (Mitgliedschaft im Schützen- Brauchtums- Heimat- Trachten Verein)

Erst wenn alle diese Voraussetzungen erfüllt wurden, kann man mit der Ausübung unseres erhaltungswürdigen Brauchtums beginnen, sofern von der jeweils zuständigen Kreisverwaltungs- Behörde (Landratsamt bzw. in kreisfreien Städten vom Ordnungsamt) eine Erlaubnis nach :

a) Sprengstoffgesetz § 27 (Erwerben, Befördern, Lagern, Verwenden und Vernichten) sowie
b) Waffengesetz § 45 (Schießen außerhalb geschlossener Schießstätten)

erteilt wurde.